Argumentieren
von „gültig“ über „sich
täuschen“ und „problematisch“ bis zu „andere täuschen“
Beim
Argumentieren geht es um Begründungszusammenhänge (Ursachen, Regeln,
„Gesetze“). Das können logische Regeln, Naturgesetze, oder ethische Regeln
sein.
1. Logisch
gültige Schlüsse (kleine Auswahl elementarer Schlussformen)
a) Modus ponens
1. Bedingung
(Prämisse): Wenn Ereignis p eintritt, dann tritt auch Ereignis q ein.
2. Bedingung: Das
Ereignis p tritt ein.
Schlussfolgerung:
Daher kann ich mit Sicherheit schließen, dass das Ereignis q tatsächlich
eintritt.
formalisiert:
p ® q
p
:. q
Beispiel:
Wenn es regnet
wird die Straße nass.
Es regnet.
Daher wird die
Straße nass.
b) Modus tollens
Aus p folgt q.
q tritt nicht ein
(ist nicht wahr).
Daher tritt auch
p nicht ein (ist p auch nicht wahr).
2. Logisch
nicht gültig sind hingegen (z. B.):
a) Aus p folgt q (Prämisse 1), und q trifft zu (Prämisse 2); daher trifft auch p zu (Konklusion).
Beispiel: Wenn es regnet wird die Straße nass; die Straße wurde nass; daher muss es vorher geregnet haben.
b) Aus p folgt q, und p trifft nicht zu, daher trifft auch q nicht zu.
Beispiel: Wenn du drei Nachmittage lernst, wirst du die Prüfung bestehen. Du lernst nicht. Daher wirst du die Prüfung nicht bestehen.
c) Mehrdeutigkeit als Beispiel für die ganze Problematik bei der sprachlichen Formulierung von Argumenten.
Beispiel: Ein Fuchs ist ein Pferd. Ein Fuchs hat die Gans gestohlen. Daher hat ein Pferd die Gans gestohlen.
d) Zirkelschluss
Das Argument begründet, was es bereits in den Prämissen voraussetzt.
„Er ist verlogen, weil er einen solchen Mangel an Ehrlichkeit aufweist.“
3. Plausible
Argumente: nicht gültig, aber u. U. hilfreich (z. B.)
a) Induktion
Schließen von der
Beobachtung von Ereignissen, die (mehrmals) ohne Ausnahme aufeinander folgen
auf die Behauptung, dass die Ereignisse immer aufeinander folgen.
Beispiel: An
dieser Kreuzung hatte ich um diese Uhrzeit noch nie Querverkehr. Daraus
schließe ich, dass hier um diese Zeit nie Querverkehr ist (und fahre ohne zu
schauen über die Kreuzung).
(wichtig für die
Lernpsychologie – Verstärkungslernen!)
Die Induktion
kann zum Produzieren von Hypothesen sehr hilfreich sein!
b) Analogie
Strukturelle
Ähnlichkeiten von zwei Gegebenheiten werden verwendet, um eine Gegebenheit mit
der anderen (von der man mehr weiß) zu Erklären.
Beispiel: „Das
menschliche Gehirn funktioniert wie ein Computer. Es gibt Input, ein BIOS,
Speicher, einen Zentralprozessor, …“
Auch die Analogie
hat ihre Vorteile!
c) Evidenz
Individuelle
Urteile und Einsichten die „einleuchten“. Führen u. U. zu weithin anerkannten
„einleuchtenden“ Einsichen, wie z. B. „Eine Aussage
kann nicht sowohl wahr als auch falsch sein.“ (Anm.: Bei einer mehrwertigen
Logik ist sogar das anzuzweifeln.)
Da Evidenz von
der eigenen Erfahrung beeinflusst wird, ist nicht ausgeschlossen, dass man sich
täuscht bzw. zu unterschiedlichen Einsichten gelangt.
d) Nützlichkeit
Wird
prognostiziert bzw. durch Versuch und Irrtum festgestellt.
Beispiel:
Todesstrafe soll abschreckend wirken. (Tut sie anscheinend aber nicht.)
e) gesellschaftlich tradierte Urteile (Ansichten
und Normen)
Um eine Analogie
zu gebrauchen: Solche Urteile haben sich evolutionär herausgebildet, sind also
nützlich für das Bestehen einer Kultur (konservativer Standpunkt). Die Evolution
bleibt aber nicht stehen; Mutationen entsprechen dem Aufbrechen verkrusteter
Strukturen, um geänderten Bedingungen besser zu genügen (progressiver
Standpunkt).
f) Experten und Autoritäten
Durch Hinweise
auf Experten (z. B. Forscher) und andere Autoritäten wird das Behauptete
untermauert.
g) Konsens
Besonders bei
komplexen Problemstellungen ist eine breite (hoffentlich weitgehend logische)
Diskussion Voraussetzung, um zu einem Konsens zu kommen. Dabei können viele
Argumente und Standpunkte einfließen.
Dafür, dass die Mehrheit aber nicht automatisch recht
hat, gibt es aber durchaus Beispiele:
„52 Prozent der Österreicher sehen Pfusch als Kavaliersdelikt an.“ (OÖN, 4. 7. 11)
2005 hielten 60 % der US-Amerikaner die Evolutionstheorie für falsch. (http://en.wikipedia.org/wiki/Creationism)
4. Irreführend
(z. B.)
a) Verwechseln von Ursache und Wirkung
Beispiel: „Weil
immer weniger Fernsehzuschauer anspruchsvolle Programme anschauen, muss der ORF
diese einschränken.“
b) falsche Alternativen
Beispiel: „Entweder
die Jugend wird zu äußerster Disziplin erzogen oder wir haben das totale
Chaos.“
c) Argument aus Ignoranz
Das persönliche
Nicht-Wissen wird als Begründung für beliebige Thesen benutzt.
Beispiel: „Wir
wissen nicht alles und deswegen funktioniert Homöopathie.“
d) Verknüpfung mit emotionalen Inhalten
Die eigenen
Thesen werden mit positiven emotionalen Inhalten verknüpft (wenn möglich
unbewusst), die anderen Thesen mit negativen.
In der „Kunst“
der Rhetorik ist das (eigentlich alles, was hier beschrieben wird?) erwünscht –
es zählt nur, wer „gewinnt“.
e) Argument gegen die Person
Ein Sonderfall
von e); eine Person, die mit einer These stark verbunden wird, wird in der
Öffentlichkeit schlecht gemacht. Damit verliert auch die These an
Überzeugungskraft.
f) Chewbacca-Verteidigung – ein Gustostück zum Abschluss:
Eine These wird
mit so vielen unsinnigen und irrelevanten Argumenten verteidigt, dass es sehr
schwer wird, die einzelnen logischen Fehlschlüsse zu entwirren.
Diese Strategie
scheint ziemlich spezifisch zu sein, aber bei Sachverhalten mit sehr hoher Komplexität (z. B.
Wirtschafts-Gerichtsverhandlungen) scheint die Täuschungsabsicht oft zum
Greifen zu sein. Und ein starkes Gegenargument ist schwer zu finden!
Der
Ausdruck Chewbacca-Verteidigung stammt aus der
Folge „Kohle für den Chefkoch“ (Originaltitel: Chef Aid, Folge
27) der zweiten Staffel der Zeichentrick-Fernsehserie „South Park“, die zuerst am
7. Oktober 1998 ausgestrahlt wurde.
Die
Folge persifliert
den bekannten Rechtsanwalt
Johnnie Cochran,
der O. J. Simpson in dessen Mordprozess
verteidigte. Dabei schaffte er es, für Simpson einen Freispruch zu erwirken,
indem er die Geschworenen
mit einseitigen Fakten in die Irre führte, obwohl an Simpsons Schuld aufgrund
von DNS-Spuren keine oder kaum Zweifel bestanden. Das Wort Chewbacca
wurde dabei jedoch nicht erwähnt.
In
besagter „South-Park“-Episode tritt Cochran auf und verteidigt eine Musikgesellschaft. Cochran benutzt hierbei die populäre Figur Chewbacca aus der Star-Wars-Filmreihe zur
Verteidigung seines Klienten:
„Meine angeblichen Damen und Herren Geschworenen, ich
bitte Sie, eine letzte Sache zu berücksichtigen“ (Er zeigt ein Bild von Chewbacca) „Dies ist Chewbacca.
Chewbacca ist ein Wookiee
vom Planeten Kashyyyk, aber Chewbacca lebt auf dem Planeten Endor. Denken Sie
darüber nach. Es ergibt keinen Sinn! Warum sollte ein Wookiee
– ein zwei Meter großer Wookiee – auf Endor leben wollen, zusammen mit einem Haufen winziger Ewoks? Es ergibt keinen Sinn! Aber was noch wichtiger ist:
Sie müssen sich ernsthaft fragen: Was hat das mit diesem Fall zu tun? Gar
nichts. Meine Damen und Herren, es hat nichts mit diesem Fall zu tun. Es ergibt
keinen Sinn! [...] Nichts von alledem ergibt einen Sinn. [...] Wenn Chewbacca auf Endor lebt, müssen
Sie ihn freisprechen! Das Plädoyer ist abgeschlossen.“
Cochrans Anwendung dieser Verteidigung ist in der Fernsehserie
erfolgreich. Zwar lebt Chewbacca in „Star Wars“ nicht auf Endor, allerdings
hatte man diesen fiktiven Mond in frühen Entwürfen von „Die Rückkehr
der Jedi-Ritter“ als Heimatwelt der Wookiees und nicht der Ewoks
konzipiert.
http://de.wikipedia.org/wiki/Chewbacca-Verteidigung;
Zugriff: 7. 4. 11
H.P., April 2011