Freiheit vs. Sicherheit

Ein Bericht zum wiedereröffneten Philosophencafe in Gmunden, am 23.10.2021

Ablauf der Veranstaltung

Die philosophische Runde hat nach einer Pause von mehr als 1 Jahr schon größte Sehnsucht danach gezeigt,  das eine oder andere philosophische Problem in direktem Sozialkontakt zu besprechen. Aber gerade in dieser spannungsgeladenen Zeit ergaben sich für den gebildeten Bürger plötzlich allzu viele Fragen mit einem philosophischen Hintergrund.

In den letzten Monaten sprachen viele Bürger und Politiker von Freiheit, Zwang, Sicherheit und den in der Verfassung stehenden Rechten der Bürger. Ängste und Sorgen zeigten sich in den Wortmeldungen. Beispielsweise wurde verlangt, dass sich Impfverweigerer, die keinen medizinischen Grund hatten, in irgendeiner Weise an den Kosten der Pandemie beteiligen sollten. In diesem Fall stellte man die Fragen nach Gerechtigkeit und Solidarität. Führen Protestbewegungen und die unüberhörbare Absage von Freiheitsbeschränkungen zu einem Zustand, der uns weniger Sicherheit bietet? Schränkt verstärkte Sicherheit die Freiheit einzelner ein?

Nach der Pause, die dem Lüften des Raumes diente, wurde vom Veranstalter ein kurzer Impuls mit Plakatentwurf gebracht. Dieser zeigte die Vielfalt von Verbindungen des Begriffes „Freiheit“ mit anderen philosophischen Grundbegriffen: Gedankenfreiheit-Willensfreiheit-Meinungsfreiheit und Handlungsfreiheit. Es wurden Argumente gebracht, wie in dieser absteigenden Reihe die Arten der Freiheiten zunehmend beschränkt werden. Ich kann denken, was ich will. Ich kann zwar meine Meinung äußern, sie darf aber niemanden anderen verletzen. Handlungsfreiheit wird noch dazu von weiteren Beschränkungen eingeengt, wie durch Gesetze in einer demokratischen Gesellschaft. Wenn man das im Blick hat, stellen sich die Forderungen nach“ Freiheiten“ eher als illusionär dar.

Zu viele verschiedene Aspekte brachten die Teilnehmer ein und es war vorerst ein Diskurs der ungelösten oder aufgeworfenen Probleme. Interessant, dass unsere strengen Zugangsbeschränkungen im Philosophencafe (1G) nicht thematisiert wurden. Es schien, dass dadurch die best mögliche  Sicherheit gegeben wurde. Offensichtlich zweifelte keiner am Sinn dieser Maßnahme. Andrerseits schlossen die Beschränkungen einen gewissen Kreis kritisch denkender Menschen aus. Die Anwesenden zogen somit eine deutliche Trennlinie. Diese wurde nicht hinterfragt. Ein Teilnehmer meinte, dass hinter den Wünschen und Illusionen der Verweigerer auch eine Art von Romantik bestehe. Darüber im Nachtrag.

Es war nicht zu erwarten, dass in den etwa 100 Minuten viele tiefergehende Diskussionen nach einer sehr langen Diskussionspause möglich sein konnten. Der Versuch war es wert, weil doch in dieser an Vertiefungen armen Zeit ein kleiner Hoffnungsschimmer aufleuchtet, der darin besteht, dass sich das Philosophencafe durch weitere gedankliche Differenzierungen der gesellschaftlichen Oberflächlichkeit entgegenstellt.

Nachbetrachtung

Als Ergänzung zur Veranstaltung können einige Gedanken dienen. Ein Mail eines Teilnehmers zeigte auch, dass in dieser hochgespannten Situation nicht alles vorgebracht werden konnte:

Er führte in einem Kommentar nach dem Cafe folgende interessante Theorie aus:

„Mir ist aufgefallen, dass bei Gegnerschaft häufig Narzissmus im Spiel ist.
Narzisstische Kränkungen gehen oft über Generationen. Hatte der Großvater beispielsweise als Ex-Nazi ein Berufsverbot usw. wollen heute noch die jugendlichen Enkel was ganz Besonderes sein.
Ich selbst überprüfe meinen eigenen narzisstischen “Bedarf”, bevor ich in ein Gespräch über das Impfen gehe.“

Ein wichtiges Merkmal der philosophischen Diskussion drückt sich darin aus, den in der Alltagssprache verwendeten Begriffen auf den Grund zu gehen, sie von unscharfen Gedanken und unklaren Mehrdeutigkeiten zu trennen und so das Denken mit klaren Begriffen verhandelbar zu machen. Die logischen Gesetze überprüfen dann die korrekte Anwendung. In wie vielen verschiedenen Feldern wurde in Medien, in der Politik und bei Protestbewegungen der Begriff Freiheit unterschiedlich verwendet?

Viele Fragen tauchten auf und verlangen nach einer differenzierten Analyse:

Die Freiheit kann nicht ohne die Sicherheit sein. Aber braucht Sicherheit Freiheit? Wie weit geht die Freiheit einzelner in einer Demokratie? Bedeutet es eine Missachtung der Menschenrechte, wenn ihre Freiheit in einer Pandemie durch Impfzwang – auf die Zeit der Pandemie begrenzend – beschnitten wird? Hat der Staat auch die Aufgabe der Fürsorge für Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen? Welche Werte sind essentieller: die Gesundheit oder die Freiheit? Wie weit geht die Schutzfunktion des Staates, wenn es um die Gesundheit der Menschen geht?  Hat er die absolute Willensfreiheit der Menschen zu berücksichtigen? Wird eigentlich zwischen der Willensfreiheit und Handlungsfreiheit unterschieden? Kann man sich angesichts der vielen Beschränkungen und Regeln noch frei fühlen? Kann eine komplizierte, vielschichtige und noch unbekannte Pandemie überhaupt mit einfachen und gleichbleibenden Regeln bewältigt werden? Ist es in Ordnung, seine eigene Freiheit aus Selbst und Fremdverantwortung über lange Zeit einschränken zu müssen, um andere und sich zu schützen? Diese oder ähnliche Fragen tauchten in den letzten Monaten auf. Wer genau hinsieht, bemerkt aber sehr unterschiedliche Zusammenhänge dieser Freiheitsbegriffe mit ihren konkreten Verwendungen.

Ein kritisches Mail wirft uns vor, dass wir nicht die von uns vertretene Meinungsvielfalt leben.

Eine Entgegnung auf eine Kritik an unserer vermeintlichen Beschneidung der Meinungsvielfalt soll zeigen, wie sehr man bei der falschen Verwendung von Begriffen einem Irrtum erliegen kann.

„Abweichende Meinungen können nicht gefährden. Aber abweichende Handlungen (von jedem Rationalismus und von jeder Aufklärung) können schon gefährden (Ansteckungsgefahr). Das hat aber mit ihrem Argument der Unterdrückung der Meinungsvielfalt absolut nichts zu tun. Hier geht es um unsere Freiheit, die Handlungen, die in unserem Rahmen möglich sind, so zu gestalten und zu beeinflussen, wie wir es als verantwortbar empfinden. Ich wollte Ihnen den Unterschied zwischen diesen beiden Freiheiten klar machen. Wir beschränken nicht Ihre Meinungsfreiheit bzw. Vielfalt der Meinungen, sondern höchstens ihre Handlungsfreiheit bezüglich der Anwesenheit im Philosophen Café.
Meinungsvielfalt, wie sie es nennen, die gibt es, das wissen wir ohnehin. Dazu brauchen wir keine Veranstaltung. Die Meinungsvielfalt können und wollen wir auch durch noch so strenge Maßnahmen nicht beschneiden, bzw. vertuschen.“

Paul Peckary

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