Impuls zur Diskussion im Gmundner Philosophencafé am 28. März 2009 zum Thema
„Ist Toleranz gefährlich?“
In England bin ich auf einen
interessanten Aspekt zum Thema gestossen: Eine von mehreren
Übersetzungen von Toleranz ist "indulgence" - dieses
Wort wird aber meistens nicht für Toleranz gegenüber
anderen verwendet, sondern für Toleranz zu sich selbst, und zwar
mit negativer Konnotation - meistens zur euphemistischen Bezeichnung
von Lastern verschiedener Art. Hier haben wir also schon eine Gefahr
der Toleranz, nämlich der zu sich selber: Wenn man zu tolerant
zu sich selbst ist, dann übernimmt der "innere
Schweinehund" das Kommando.
Damit habe ich mit einem Aspekt
begonnen, der einem wohl nicht als erstes zum Thema einfällt.
Bei der Wahl dieses Themas wurde wohl eher in Richtung "Gutmenschen"
gedacht, die zu allem und jedem tolerant sind (oder zumindest so
tun), und dabei Terroristen, Kriminellen und oeSchmarotzern Tür
und Tor öffnen.
Nun aber etwas weniger polemisch und
ironisch: In direkten menschlichen Beziehungen spielt Toleranz eine
wesentliche Rolle. Die zwei Ursachen dafür sind erstens die
unterschiedlichen Wünsche und Bedürfnisse, und zweitens,
nachdem ein Ausgleich dieser theoretisch vereinbart wurde, die
Tatsache, dass wir alle Fehler machen und das Fleisch meistens
schwächer ist als der Geist (siehe den oben erwähnten
Schweinehund). Wir müssen mit Fehlern und Unzulänglichkeiten
leben, zumal wir diese selber in nicht grosser Anzahl haben bzw.
produzieren. Aber wo ist die Grenze zu ziehen, m. a. W., wie viel
soll man sich gefallen lassen? - Das könnte ein zentraler Punkt
bei der Diskussion sein.
In allen Beziehungen und formalen
Regelungen von Beziehungssystemen (z. B. Gesetzen) gibt es
Toleranzgrenzen. Versuche, diese Grenzen z. B. in der Erziehung sehr
tolerant zu halten, sind gescheitert (Laissez-Faire Erziehungsstil).
"Kinder brauchen Grenzen" heisst es. Ich finde es ganz
schön schwer, diese Grenzen richtig zu setzen und dabei
konsequent zu sein - man möge tolerant sein im Urteil über
mich.
Im polititschen System ist es gefährlich, wenn die
Untertanen zu tolerant sind und die Herrschenden zu mächtig
werden. So bald die Kontrollen versagen, ist von oben mit einer
krassen Reduzierung der Toleranz zu rechnen. Dazu noch ein Beispiel
aus England: Hier hat der Staat unglaublich viele Mittel für
einen Überwachungsstaat in der Hand, andererseits ist Politik
und Königshaus sehr tolerant gegenüber Kritik, die
ihrerseits wieder unerhört direkt sein kann, - vielleicht
deshalb, weil die Kritik ohnehin nicht viel bewirkt.
H.P., 24. 3. 09