Sprachbarrieren 18.11.06 - Zusammenfassung

 

       Die emotionalen Barrieren sind wesentlich größer als die rein kognitiv bedingten.

Emotionen haben einen gewaltigen Einfluß auf den Komplexitätsgrad von Informationen.

Von den am wenigsten komplexen Informationen, solchen logischer  und mathematischer Natur kann man eine höhere Übereinstimmung zwischen Sendercodierung und Empfängerentschlüsselung erwarten. In diesem Philosophencafe wurden sehr viele verschiedene Beispiele in einer überaus anregenden Diskussionsatmosphäre gebracht:

Bilder werden in Worte umgesetzt, die Bilder richten sich stark nach dem sozialen Umfeld.

Nicht immer  erkennbare Barrieren sind Fremdsprachen, Übersetzungsfehler, Sinnverschiebungen und pragmatische Fehler die zu Kulturüberschreitungen und Tabubrüchen führen  weisen auf unabsichtlich aufgestellte Barrieren hin. Das passiert derzeit in Multi-Kulti-Gesellschaften oft auch unabsichtlich. Diese schwer erkennbaren Barrieren sind tief im jeweiligen Kulturverständnis verankert und weisen strukturellen Charakter auf.

Nur: sie werden dann ,wenn Beleidigungen manifest werden, bewusst gemacht und verlangen nach ethischer Aufarbeitung, ohne in überhebliche Arroganz zu verfallen und einen Justament-Standpunkt einzunehmen. Der Zusammenhang mit Machtfragen wird dann klar .

Objektiv gesehen besteht dann die Frage, wer standhafter ist beim Verteidigen eines Kulturbestandes.  Hat der Kulturgastgeber das Recht oder die Pflicht, seine Kultur bis in die Ewigkeit unverändert zu bewahren ? Wer soll mit dem Barrierenabbau zuerst beginnen ?  Der Gast oder der Gastgeber. Zu Kolonisationszeiten waren es die überfallenen Kolonien.

  Die Barrieren, so meinte ein junger Zivildiener , erlebte er selbst im Generationen-übergreifenden Kontext. Seine Schlussfolgerung: 100 % iges Verstehen gäbe es nicht. Hinweise auf den Bedeutungswandel von Begriffen aber auch auf den Unterschied zwischen männlicher und weiblicher Sprache weisen auf soziale Konfliktfelder hin.

       Über den Hinweis, dass im wissenschaftlichen Bereich Barrieren niedriger seien, wurde heftig gestritten. Ein anderer  Hinweis auf den Sinn von Kommunikation als Erschaffung von Realität unterstrich die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Wissenschaften.

     Aus sprachpädagogischen Gründen ist dem frühzeitigen Code-switching größte Aufmerksamkeit zu widmen. Der Fremsprachenerwerb schärft die Wahrnehmung des Anders-Seins, der Differenz und der Vielfalt, wobei dadurch dem Rassismus vorgebeugt und die Toleranz gefördert wird. Gleichzeitig findet ja auch Angstabbautraining dem Fremden gegenüber statt, indem die Unsicherheit durch die familiäre Geborgenheit beim Kind stark abgeschwächt wird, wenn es so früh wie möglich mit Fremdsprachen konfrontiert wird.

           Diese großzügige Zusammenfassung  kann nur ansatzweise die besprochenen Themen

Wiedergeben. Außerdem gab es einen Gesprächsfaden, wobei die Wortmeldungen stark aufeinander bezogen waren. Auch später hinzugefügte Gedanken  waren nicht störend, da sie so klar formuliert wurden, dass der Einbau in frühere Zusammenhänge leicht fiel.

            Paul Peckary

 

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Und noch eine Zusammenfassung zu den Sprachbarrieren, vorausgeschickt noch meine Impulse, die ich per E-Mail an alle auf der Philosophencafé-Verteilerliste geschickt habe:

 

Sprachbarrieren - Impulse

 

Wenn man sich überlegt, wo überall in der Kommunikation Hindernisse und Fallen verborgen sind, dann fragt man sich, wie sie überhaupt so recht und schlecht funktioniert.

Die, sozusagen „größten Brocken“ sind:

a) das Verhältnis von Bewusstseinsinhalten und den „Gegenständen“ in der Welt – d. h., die ganze Frage der Wahrnehmung bzw. Erkenntnis. Das soll aber hier nicht unser Hauptthema sein.

b) das Verhältnis von Bewusstseinsinhalten und dem, was davon kommuniziert wird. Die Umsetzung von Bewusstseinsinhalten in sprachliche Äußerungen ist immer nur eine Annäherung, die zwangsläufig ungenau oder auch fehlerhaft ist und Missverständnisse begünstigt. Hier eine kurze Beschreibung des Sender-Empfänger-Modells, das in diesem Zusammenhang auch nützlich ist:

 

Das Sender-Empfänger-Modell der Kommunikation, das von Stuart Hall 1970 entwickelt wurde, definiert Kommunikation als Übertragung einer Nachricht von einem Sender zu einem Empfänger. Dazu wird die Nachricht kodiert und als Signal über einen Übertragungskanal übermittelt. Dabei kann die Nachricht durch Störungen verfälscht werden. Eine Voraussetzung für die erfolgreiche Kommunikation ist, dass Sender und Empfänger die gleiche Kodierung für die Nachricht verwenden. (Wikipedia)

 

Ergänzung: Das verwendete System zur Kodierung ist der Code oder die Sprache, genauer gesagt, eine bestimmte Variante einer Sprache.

 

Ein Hauptpunkt bei der Umsetzung von Bewusstseinsinhalten in Sprache (Kodierung) ist die Tatsache, dass es kognitive (sachliche – „Darstellungsfunktion“) und emotionale Inhalte gibt. Die emotionalen Inhalte zeigen sich z. B. in der Einteilung der Funktionen der Sprache in Appell-, Ausdrucks- und Beziehungsfunktion (z. B. nach F. Schulz von Thun). Emotionale Inhalte werden oft indirekt oder „zwischen den Zeilen“ ausgedrückt.

 

Eine Reihe von Beispielen für Sprachbarrieren bzw. deren Ursachen:

-        soziale Varianten, Dialekt, Jargon/Fachsprache, …(Code)

-        Fremdsprachen: Übersetzung, …

-        Differenziertheit der Sprachkompetenz des jeweiligen Kommunikationspartners

-        Ausdruck vor allem emotionaler Inhalte über nonverbale Kommunikation (Mimik, Gestik, Körperhaltung, Sprachmelodie, Tempo, …)

-        Konnotationen (betrifft auch hauptsächlich die emotionale Ebene)

-        emotionale Barrieren, Beziehungsebene, unbewusste Teile der Kommunikation (siehe nonverbale Kommunikation)

-        gewollte oder ungewollte Zweideutigkeiten

-        Verdrängungen und Tabus

-        Sprache formt Weltbild und umgekehrt

-        Wertedifferenzen (zum Großteil erziehungsbedingt)

-        Grad der Komplexität von Äußerungen / Texten

 

 

Resümee:

 

Die wichtigsten Punkte bzw. auch die wichtigsten Schlussfolgerungen aus der Diskussion waren für mich (diese Auswahl ist sehr subjektiv):

 

-        Trotz mannigfaltiger Sprachbarrieren funktioniert Sprache „ungefähr“ (eine andere geäußerte These war: Kommunikation kann nur zufällig funktionieren), denn wenn die vorhandenen Sprachen und deren Funktionen nicht zweckdienlich wären, dann hätten sich zweckmäßigere Sprachen entwickeln müssen (Prinzip der Evolution).

-        Das Funktionieren von Sprache, besonders wenn es ein bisschen komplexer wird, bedarf eines interaktiven, also stets abwechselnden Prozesses. Mit anderen Worten: Wenn sich zwei Kommunikationspartner gegenseitig annähern sollen, dann müssen sie stets gegenseitig überprüfen, wie etwas angekommen ist, und bei Bedarf korrigieren.
(Ein Sonderfall wäre z.B. die Kommunikation zwischen einem Romanautor und seinen Lesern.)

-        Sprachbarrieren entstehen einerseits durch unterschiedliche Varianten von Sprachen, die der jeweilige Kommunikationsteilnehmer einsetzt – Muttersprache, Hochsprache, Dialekt, Fremdsprache, Soziolekt, unterschiedliche Varianten älterer oder jüngerer Sprecher, etc. Dabei sind Sprachbarrieren auch Kulturbarrieren. Bessere sprachliche Verständigung verbessert daher die kulturelle Verständigung.

-        Sprachbarrieren entstehen auf vielfältige Weise auf der emotionalen Ebene bzw. der Beziehungsebene der Sprache. Diese zwei Begriffe meinen teilweise, aber nicht immer, das Selbe. Sprachbarrieren dieser Art funktionieren oft unterbewusst und über nonverbale Kommunikation (Körpersprache) und sind daher schwer zu überwinden. Auch Angst ist eine solche Barriere, deren Bedeutung in der Diskussion nur angedeutet wurde.

-        Die ethische Konsequenz aus dem vorigen Punkt klang in der Diskussion in etwa so an: Achtung und guter Wille gegenüber dem Kommunikationspartner ermöglichen eine Verringerung der Sprachbarrieren und eine Annäherung auf der Beziehungsebene. Das Gegenteil wäre Manipulation durch Sprache, d.h., bewusst falsche Botschaften aus egoistischen Gründen. (z.B. in der Werbung, bewusstes Vorspielen falscher Gefühle)

 

            Herbert Pollhamer

 

 

 

Bericht über das Philosophencafe in Gmunden vom 7.10.06 – „Entwicklung des Demokratieverständnisses“

 

Das Philosophencafe in Gmunden hat seinen Diskussionsort verlagert und bleibt trotzdem seinen Grundsätzen treu. Der Markt der Meinungen und die Vielfalt von Weltanschauungen wird auf seine Verträglichkeit und Standpunktfestigkeit in offenen, gepflegten Diskussionen überprüft. Wie immer wurde der Rahmen von 2 Stunden öffentlicher Diskussion voll genutzt.

Einleitende Impulse durch die Moderatoren wiesen auf die historische Entwicklung des Demokratiebegriffes hin. Von autokratischen und monarchischen bis zu demokratischen Staatsformen der westlichen Ausprägung zeigt sich eine Grundtendenz: nämlich Konfliktbereiche der jeweiligen Gesellschaften rational und gestützt durch Mehrheiten und nicht durch Gewalt zu lösen. Um die Frage nach Lösungen zu klären, führten die Besucher des Philosophencafes konkrete Ärgernisquellen über gesellschaftliche Zustände und  Erklärungsversuche an. Die Verunsicherung von Staatsbürgern  wie die Rechtsbiegung im Falle der  Wirtschaftskriminalität in einigen prominenten Fällen  oder das wenig vorbildliche Verhalten von Spitzenpolitikern stellt demokratische Strukturen in Frage.. Der Verlust von Ideologien wurde  kritisiert, da doch Wertekataloge  den Sinn hätten, dass  Politiker zu gewissen Grundsätzen  stehen sollten. Ebenso wurde die verloren gegangene Glaubwürdigkeit beklagt(was vor den Wahlen versprochen wird, muß nachher gehalten werden) Dies alles trägt zur Parteienverdrossenheit (fälschlich Politikverdrossenheit) bei.

Die Ursachen verschiedener Missstände, die in demokratischen Staaten vorkommen, sind sicher vielfältig, sie wirken sich aber in Unzufriedenheit und Zorn der Bürger  so aus, dass diese entweder nicht , ungültig  oder protestierend wählen. Offenbar müssen Demokratiestrukturen schon noch an Zeitumstände so angepasst werden, dass Verteilungsungerechtigkeiten entweder erklärt oder aber ausgeglichen werden. Kontrollinstanzen sollten in Demokratien verbessert werden.  Große und den Staatshaushalt belastende Ausgaben müssen jedem erklärt und transparent gemacht werden. Demokratie und Ehrlichkeit sollte sich schon vereinbar sein.

Diese Diskussion zeigte, dass vor allem 1 Woche nach den Wahlen einige wichtige Themen zu bestimmten Inhalten noch sehr präsent und daher engagiert  diskutiert wurden.

Trotz dieses politischen Schwerpunktes hatte man den starken Eindruck, dass alle Teilnehmer den Interessensausgleich zum wichtigsten demokratischen Prinzip erhoben. Immanuel Kant charakterisierte die Demokratie folgendermaßen:“ Es gebieten alle zusammen über einen jeden und mithin auch über sich selbst.“

Paul Peckary

 

 

 

GEFÜHLE - kein leichtes THEMA im PHILOSOPHENCAFE – 11. 3. 2006

 

Wie soll man aus starker Verbundenheit zur Tradition der Philosophiegeschichte ein solches Thema in einer öffentlichen Diskussion mit einem Publikum, das sich dem konkreten Leben gegenüber stärker als der philosophischen Lehre verpflichtet fühlt, argumentieren ? Es kam zu einer spannenden Auseinandersetzung zwischen den erdigen Teilnehmern und den universitär ausgebildeten Philosophen. Jeder Mensch hat ein spezielles Nervennetz im Gehirn, jeder hat eine andere Biographie und andere Erfahrungen. Gefühle sind oft schwer verbalisierbare Stellungnahmen zu den nur persönlich erlebten Wirklichkeiten. Außerdem sind sie schwer kommunizierbar, authentisch vermittelbar und verstehbar. Was konnten hier theoretische Beiträge wie das Triebstau – Modell, das emotionelle Erfahrungsgedächtnis, die Übergewichtstheorie, Empathie-Schwierigkeiten und NLP bei den Teilnehmern bewirken? Die Moderatoren waren bemüht, durch eingehende Erläuterungen diese Theorien zu erklären. Positive Verstärkungen von engagierten Fragen der Teilnehmer führten dazu, dass eine Reihe von Fragestellungen und weitergehende und vertiefende Meinungen geäußert wurden. Durch einfühlsame und wechselseitige Stellungnahmen lebte der Diskurs, also ganz nach sokratischem Vorbild. Ein Teilnehmer, der Philosophencafes in Wien genau kennt, war erstaunt über die Gesprächskultur und über den Kommunikationsstil, durch den es möglich war, dass man in Wortmeldungen doch auch auf Vorredner einging und dass unklare Begriffe sofort erläutert werden. Der starke Schlussapplaus bekräftigte die Erwartungen des Moderatorenteams, hier einen kleinen Beitrag zur Gesprächs- und Denkkultur in Gmunden zu leisten.

 

 

Armut und Gerechtigkeit- Politiker sind gefragt

 

Im letzten Philosophencafe des Jahres wurden am Samstag, 17.12.05 die im Kulturcafe vorgelegten Thesen zur Armut in einer sehr gut besetzten Philosophenstube öffentlich diskutiert. Ein Auszug aus diesen Thesen:

„Armut ist systemimmanent und nicht Schicksal. Menschen haben ein moralisches Recht auf Mindestansprüche und auf Achtung ihrer Würde. Die menschliche Gier ist umso schwerer zu zügeln, je reicher und mächtiger die betreffenden Personen sind. Den vom Schicksal und System Benachteiligten sollte ausgleichende Gerechtigkeit zukommen. Grundsicherung und Tobinsteuer können einen Beitrag zur Bekämpfung der Armut darstellen.“

In diesem 41. Philosophencafe haben die Teilnehmer in kontroversiellen Diskussionen die Möglichkeit gehabt, sich an Lösungsansätze heranzutasten. Viele Menschen, die für Arbeitsplätze und Wohlstand mitverantwortlich sind, sollten auch ihre Mitverantwortung für die Armen wahrnehmen. Spenden hatten in dieser Diskussion, wo es um Systemveränderungen geht, keinerlei Bedeutung. Diese lindern höchstens einzelne Ungerechtigkeiten, beruhigen den Spender und bringen durch die steuerliche Abschreibungsmöglichkeit und die Veröffentlichung wieder Werbeeffekte anstatt das ungerechte System zu verbessern und zu verändern. Die dem Spenden zugrunde liegende Empathie und Motivation zeigt sich aber nach wissenschaftlichen Untersuchungen eher bei Armen als bei Reichen.

Dieses Thema erwies sich als äußerst Ertrag bringend für eine engagierte öffentliche Auseinandersetzung. Man hatte den Eindruck, dass durch die starke Medienpräsenz dieses Themas die Menschen ein großes Bedürfnis haben, dieses Thema öffentlich aufzuarbeiten und an der gesellschaftlichen Gestaltung auch durch eigene Beiträge mitzuarbeiten. Der Diskussionsprozess, die Auseinandersetzung und die Reflexion eigener Ideen wird immer notwendiger, da sonst politische Entscheidungen nicht mehr den Bedürfnissen der Staatsbürger dienen.

Paul Peckary

 

Philosophencafe zum Thema Literatur-Philosophie

 

Am 12. Februar 2005 versuchten die Gäste der philosophischen Veranstaltung nach einem sehr komprimierten und interessanten Einleitungsreferat zur Literaturgeschichte des Abendlandes die Verbindungslinien zwischen der Literatur und der Philosophie zu ziehen. Dr. Markus Kreuzwieser spannte in seinem Bogen von der impliziten Kunstauffassung der archaischen Zeit (Kunst ist Leben) über Platon (Künstler sind Lügner) bis zur Neuzeit.

Er ging speziell auf die Barockzeit und die danach stattfindende kopernikanische Wende der Abendlandkultur ein. Vor allem Kant hatte jeglicher Metaphysik und Theologie den Todesstoß versetzt, indem er Heilsvorstellungen auf eine weltliche Philosophie übertragen hatte. Der Referent stellte fest, dass Schiller und Goethe als Kantianer auch im Bewusstsein einer verloren gegangenen metaphysischen Geborgenheit lebten. Gerade in der Romantik (Kleist, Hölderlin, Novalis und Hegel) versuchte man in das Paradies zurückzukehren, aus dem man von Kant vertrieben wurde. Je höher die Abstraktion, desto eher kehrte man zurück. Über die Linkshegelianer, über Marx und Schopenhauer führte uns der Referent zu Thomas Mann und Thomas Bernhard.

Das lange Referat brachte es zuwege, gegen die Tradition eines 2-Stundendiskurses doch noch den philosophischen Kaffee-Nachmittag zu verlängern. In der intensiven Diskussion vor einem zahlreich erschienenem Publikum wurden die hinter der Literatur stehenden Weltbilder diskutiert. Soll Literatur Trost spenden, Sinn geben oder wird sie nur als Dialog verstanden werden können? Wie ist die Literatur außerhalb oder unterhalb der Weltliteratur zu verstehen? Zeichnen gute Literatur nur zeitlose Werte wie Tod, Liebe und Freundschaft aus? Darf man heute den Konsumenten von Literatur als Gradmesser von Qualität ganz außer Acht lassen? Ist Provokation kein Wert in der Literatur? Große Übereinstimmung gab es bei der Feststellung , dass subjektive Kriterien wie ästhetische Empfindung bei der Rezeption die allergrößte Rolle spielen. Gefallen fand beim Publikum das Zitat von Adorno: Begreifen, warum es mich ergreift - so kann man aus jedem Werk noch für sich Erkenntnisse herausholen, die einen gewiss weiterbringen.

Uns alle hat dieses Philosophencafé auch wieder ein Stück im Verständnis von Kultur weitergebracht.

 

Paul Peckary

 

 

LOGIK und die PHILOSOPHIE

 

Zur 36. Veranstaltung des 1.Gmundner Philosophencafe am letzten  Samstag, den 16. 4.  im Kulturcafe Villa Lehmann  setzte sich der  sehr gut besuchte öffentliche Diskurs fort.

Sogar ein scheinbar trockenes Thema wie die Logik lockte die Interessenten in das Kaffehaus, um bei pfauchender Kaffeemaschine und bei Guglhupf das Thema philosophisch aufzuarbeiten.

Diesmal erklärte der Gmundner Mathematikprofessor Otto Hederer als Referent in konzentrierter Weise höchst anschaulich die Aussagen- und Prädikatenlogik an Hand einfacher Beispiele. Die Teilnehmer erfuhren durch Übungsbeispiele, wie Regeln der Logik zu-standekommen und welchen praktischen Wert diese definierten Regeln auch in der Technik haben können.

Was hat die Wahrheit einer Aussage mit der Wahrheit eines Sachverhaltes oder mit gültigen Erkenntnissen oder mit der Ehrlichkeit von Menschen zu tun? Gibt es für die Logik Aufgaben in der Ethik? Wie sehr dient die Logik der Kommunikation zwischen Menschen?

Die Diskussion bewegte sich zwischen verschiedenen philosophischen Systemen, sei es dem Kritischen Rationalismus von Karl Popper, der die Falsifikation als wichtige Wahrheitsannäherung betrachtet und der Dekonstruktion von J. Derrida, dessen Wahrheitsfindung im genauen Lesen und logischen Konstruieren besteht. Woher kommt die Logik und wozu dient sie? Diese und andere Fragen wurden analysiert, differenziert und so formuliert, dass die Freude am Philosophieren durch diese Art der Großhirngymnastik gesteigert wurde.

            Paul Peckary

 

„Randgruppen und Feindbilder“, 18. 10. 2003

 

Schon zu einer fixen Einrichtung im Kulturgeschehen Gmundens geworden, startete das Philosophencafé Gmunden zu seiner sechsten Saison im Kulturcafé, diesmal mit dem Thema „Randgruppen und Feindbilder“. Zunächst wurden beide Begriffe eher getrennt betrachtet und analysiert, wobei die Tendenz der Diskutierenden dahin ging, die positiven Aspekte zu betonen. So wurde die Bedeutung von Randgruppen (Gruppen, die auf Grund ihrer benachteiligten sozialen Stellung oder ihrer Ansichten eine Außenseiterstellung haben) für gesellschaftlichen Wandel hervorgehoben. Als Beispiel diente die iranische Menschenrechtskämpferin und Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi.

Auch Feindbilder können notwendig sein - zum eigenen Schutz, vor allem dann, wenn man einer konkreten, persönlichen Bedrohung bzw. einem Angriff ausgesetzt ist. Zugleich fand aber die Idee einer Gesellschaft ohne Feindbilder und Vorurteile als nützliche Utopie großteils Zustimmung. Die Frage, wie weit ein Feindbild noch erlaubt sein kann, und wo es vom ethischen Standpunkt abzulehnen ist, blieb offen.

Weiters wurde der Umgang mit als bedrohlich empfundenen Randgruppen diskutiert. Das Gebot aus der christlichen Ethik „Liebe deinen Nächsten“ bzw. sogar deine Feinde wurde in einer Auslegung als Notwendigkeit zur Kommunikation und Kooperation interpretiert – Ausgrenzen führe zu keiner Verbesserung im Zusammenleben. Zum Begriff des Feindes wurde auch C. G. Jung zitiert, mit der These, dass alles, was einen an anderen besonders stört, mit den eigenen „Schatten“ (eigene Dispositionen, die man unbewusst ablehnt) zu tun hat. Hier gingen die Meinungen auseinander, am meisten Zustimmung schien dabei der Gedanke zu finden, dass als schlecht beurteilte Handlungen zwar abzulehnen sind, jeder Mensch als solcher aber respektiert werden sollte, auch wenn er solche Handlungen begeht.

Da jeder Mensch verschiedene Rollen in verschiedenen Situationen übernimmt, ist es auch wahrscheinlich, dass jeder mehr oder weniger oft Mitglied einer Randgruppe ist. Dieser Gedanke wurde soweit zugespitzt, dass jeder Mensch eine Randgruppe (bzw. ein Außenseiter) sei, und alle anderen seine Feinde sein können – ein Brückenschlag zwischen den beiden Ausgangsbegriffen in der Diskussion, der in das existentialistische Weltbild passt.

 

Herbert Pollhamer

 

Berichte von Paul Peckary:

 

Das Philososphieren über Spaß,Freude und Glück.

Ist das überhaupt möglich daß man über wichtige sinnliche Angelegenheiten philosophiert und dabei trotzdem dem Sinnlichen gerecht wird? Wer glaubt, daß das Rationale im Menschen das Sinnliche verachtet hat Philosophie noch nicht verstanden. Im 23.Philosophencafe (so oft wurde schon öffentlich philosophiert und es besteht noch immer Bedarf!) wurde der Beweis erbracht, daß der zufriedene sinnlich-emotionale Gedankenfluß (Flow) genüsslich sein kann. Die Teilnehmer hatten Spaß, Freude und Glück in dem Sinn erlebt, als sie durch Erkenntnisse dem Glück weit näher gekommen sind als so mancher Millionär oder Lottogewinner oder wie ein ewig nach Befriedigung Suchender.

Einerseits gab es Zustimmung  zur Auffassung, daß diese 3 positiven Momente des Lebens in Abstufung nur in der Dauer zu unterscheiden sind. Also Spaß kurzfristig, Glück als dauerhafte Lebensstimmung. Andererseits meinte man, die 3 Momente seien nicht so deutlich voneinander zu trennen. Außerdem wurde auch der Aspekt der Einseitigkeit erwähnt. Glück ohne Unglück mach als philosophischer Begriff keinen Sinn. So gesehen ist wiederum die buddhistische Auffassung als negative Erklärung - also dem Fehlen von Leid - wieder nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite wäre dann Glück als Anwesenheit von Freude zu sehen. Natürlich gibt es noch genügend offene Fragen wie zum Beispiel, ob sich Moral und Glück vertragen: Glück ist nicht immer sittlich und Moral macht nicht immer glücklich. Man hat sich heute also schon recht weit von Platon und Aristoteles wegbewegt. Sehr viele anregende Fragen und persönliche Bewertungen haben dieses Philosophencafe wieder zu einem sehr schönen Ereignis werden lassen.

 

 

Das Philosophencafe und die Freiheit

Gibt es die Gedankenfreiheit ? Kann ein Meinungsbildungsprozeß von äußeren Determinanten (Einschränkungen) wirklich freigehalten werden ? Im sehr gut besuchten Kulturcafe wurden darüber kontroversielle Gespräche geführt, die immer wieder zu Annäherungen führten. Eine Teilnehmerin charakterisierte den Diskurs damit, daß seine Denkwege im Kaffehaus fast zum Greifen spürbar

waren. Die Freiheit - so eine Erkenntnis eines Teilnehmers - beginne im Kopf. Der Widerspruch ließ nicht lange auf sich warten: die Freiheit gäbe es gar nicht - so eine Teilnehmerin. Von Fragen des sozialen Verantwortungsgefühles der Gesellschaft, durch das eine gewisse Grundfreiheit aller Individuen garantiert wird, bis zur Freiheit der Wissenschaften spannte sich ein sehr weiter Diskussionsrahmen. Es sind sehr viele „Frei-Denker“ gekommen, um ihren Gedanken freien Lauf zu lassen und dabei sich um größtmögliche Gedankenfreiheit zu bemühen.

 

 

„Der Mensch ist das Maß der Dinge“ im Philosophencafe

Am 15.3.2003 wurde der Philosophie des Griechen Protagoras gedacht. Der neue philosophische Relativismus, den der griechische Philosoph entwickelte machte damals mit dem dogmatischen Schlummer, in dem sich viele Griechen befanden Schluß. Er stellte den Menschen als Maß der Dinge in das damals vorherrschend naturzentrierte Denken der Zeit ,knapp vor Sokrates ,um nicht der Menschheit als Ganzes, sondern den Einzelnen, das Individuum in den Blickpunkt philosophischer Überlegungen zu rücken. Daß man von der absoluten Wahrheit abrücken müsse, dafür gab es mehrere Gründe. Ein und derselbe Satz kann einmal wahr, einmal falsch sein ,je nachdem von wem, wann und unter welchen Umständen er ausgesprochen wird. Die von Protagoras begründete Skepsis  verschonte weder

den Glauben an die Götter noch konventionell vorgegebene und als Zwang betrachtete Ethik aus. Alles muß rationalen Wert maßstäben und Betrachtungen unterzogen werden.Die offene und intensive Diskussion blieb Protagoras mit seiner  Skepsis treu und hinterfragte folglich die Wahrheit seiner Theorie. Die Menschen nehmen oft verschiedenes Maß wie das Wachstum für die Wirtschaft das Hauptmaß sei für die Politik der zählbare Erfolg, für ostasiatische Denker aber das reine Glück, den Tierschützer die Achtung und Liebe zu Mitwelt-Wesen. Gibt es aber ein oberstes Maß-einen absoluten Wert ?Gibt es eine Nützlichkeit für das gesamte Kollektiv ?Der kulturelle Relativismus sieht eher eine Verschiedenheit der kulturell geprägten Normen ohne der ethischen Überlegenheit. einer dieser Normen. Warum übernimmt aber dann die westliche Welt die Verantwortung z.B. für den Islam oder Buddhismus - trotz der behaupteten Gleichwertigkeit. Gibt es da ein allgemeines Maß für alle Menschen ? So wie wir bemüht sind, techniche Maßstäbe zu globalisieren, so sollten wir dies auch in ethischer Hinsicht  insofern anstreben, als wir zur Erkenntnis kommen sollten - in Ägypten, in der Türkei, in Bagdad und in New York: wir sollten uns bemühen, schlechte Normen und Maßstäbe zu verwerfen und richtige Maßstäbe zu entwerfen.

 

 

Philosophencafe  und die Apokalypse

Am 9.Oktober 2002 versammelten sich Kaffehausgäste im Kulturcafe Lehmann, Gmunden, um über das Thema „Apokalypse“ zu diskutieren. Diese visionäre religiöse Literatur regte die Menschheit immer wieder zur Verarbeitung an. In wichtigen kulturellen Bereichen, wie die Bildenden Künsten, die Literatur und Filmkunst, aber auch im Politischen (Mißbrauch durch Streitparteien und Streitvölkern durch gegenseitige Zuschreibung des Bösen) wird das Thema der End-Zeit-Scenarien verarbeitet. Philosophisch eher selten aufgearbeitet, hat sich das Gmundner Philosophencafe diesem komplexen und schwierigen Thema  zugewandt. Was kann theologisch darüber gesagt werden? Ist es als drohendes Scenarium aufzufassen und erinnern uns apokalyptische Reiter daran, um  Angst zu bekommmen? Wie geht es nach der Erlösung weiter ?Wie können sich Menschen in Anbetracht der bevorstehenden Katastrophe auf die Gegen wart einstellen? Können wir bisher erlebte Katastrophen als reine Wirkungen von Naturgesetze auffassen oder ist es schon ein Teil des Damoklesschwert? Solche und ähnliche Fragen wurden diskutiert. Die ethische Konklusio mündete im Schlußteil der Diskussion in eine interessante Fragestellung ohne pädagogischem Zeigefinger: kann nicht die trotz apokalyptischer Zukunft gezeigte Gelassenheit der Teilnehmer auch als Chance betrachtet werden? Macht nicht die im täglichen Leben gezeigte Einzelverantwortung Sinn trotz schlechter Aussichten ?

 

 

PHILOSOPHIE und ESOTERIK

Am 10.Mai hat sich die philosophische Öffentlichkeit im Gmundner Kulturcafe Lehmann mit der Esoterik beschäftigt. Man sollte natürlich vorwegnehmen, daß Platons Ideenlehre, die Gnosis und Mystik, Theosophen und Anthroposophen sowie die Gesamtbewegung  des New Age sichtbare Ausprägungen in der  Ideenwelt der westlichen Gesellschaften aufweist. Man darf aber auch nicht vergessen, daß in vielen religiösen Elementen und Ritualien esoterisches Gedankengut mitverarbeitet wurde. Als westlich denkender Mensch fällt es einem doch sehr schwer, so manche Phänomene der Esoterik auf Anhieb zu verstehen. Der rational geschulte Mensch verlangt Erklärungen, Beweise und Argumente, die eben im empirisch-logischen Denkkorsett  gebräuchlich sind - und da muß man eben staunend und zweifelnd vor so mancher Erklärung der Esoteriker resignieren. In manchen Bereichen, wie z.B. in der Homöopathie gibt es aber doch auch naturwissenschaftliche Nachweisverfahren. Die Diskussionsgruppe schien es aber dabei zu belassen und nicht immer alles zu hinterfragen .Auch orakelnde Philosophen der Antike, wie z.B. Platon mit seiner Ideenlehre oder der Seelenwanderungslehre sind bisweilen vom Vorwurf getroffen worden, nichts als reine Gespenstermetaphysik zu betreiben. Philosophie muß hinterfragen. Sind Gespenster, Sagengestalten, Märchenfiguren so zu behandeln wie naturwissenschaftliche Phänomene? Gewiß spielt das´´glauben an etwas´´eine sehr große Rolle. Der Glaube versetzt nicht nur Berge , sondern  bewegt auch die Menschen dorthin, wo alternativ-medizinische Heilverfahren, Meditation und Yoga angeboten wird, um Bedürfnisse zu decken, die doch mit dem Leben im eigentlichen Sinne viel zu tun haben. Dieses Philosophencafe war sicher herausstechend in der Thematik, war keine übliche Diskussion aber doch eindrucksvoll.

 

 

Weltreligionen und Philosophencafe‘

Am 19.1. erlebten die Teilnehmer einer philosophischen Diskussion im Kulturcafe Lehmann in Gmunden  die Schwierigkeiten  eines  multikulturellen  Dialogs  und eines friedlichen Streitgespräches zwischen  den Religionen. Mit großem Interesse hat man die Gegensätze  zwischen den  Standpunkten verfolgt.  Das religiöse  Gebet der Muslime auf den Gebetsteppichen  des Kaffeehauseingangs  brachte uns ihre Gläubigkeit  näher.

Trotz ähnlicher ethischer Ansätze zwischen den  abrahamitischen Religionen konnten  deutliche Grenzlinien zwischen diesen Religionen  gezogen werden. Gibt es aber totzdem mehr Normenübereinstimmung ?

Man sollte doch  in einer zusammenwachsenden Welt miteinander auskommen. Es wurde gefordert, dass sich konfessionelle  Haltungen auf die Ethik des Gemeinschaftslebens nicht hinderlich auswirken dürfen. Viele Fragen blieben offen, philosophische Zielsetzungen waren im voll besetzten Cafe erkennbar.

 

 

Nachbemerkungen zum Philosophencafe : „Wozu Rituale ?“ am 16.11.2013

Im voll besetzten Adagio wurde dieses Thema philosophisch bearbeitet. In den Vorbemerkungen des Moderator/Innen- teams wurde einerseits festgestellt, dass dieses Thema von Philosophen nicht übermäßig behandelt wurde, andererseits Rituale aber eine wichtige Position als Regulatoren und Strukturelemente des Lebens und des Alltags einnehmen.

 Der Vorrang der Bedeutung von  äußerlichen Verhaltensabläufen vor tieferer Sinngebung dieser Symbolhandlung und die falsche Einschätzung von Ritualen bewegten philosophisch Reflektierende dazu, sich mit diesem Thema nicht essentiell auseinanderzusetzen. Vielleicht - was dann in der Diskussion eine Rolle spielte - verlor so manche rituelle Handlung (vor allem religiöse R.) die Verbindung zum konkreten Leben oder ging in ihrer Ausgestaltung immer mehr am ursprünglichen Sinn vorbei.

Anfänglich und während der Diskussion schälte man folgende Definition von Ritualen heraus: Handlungen, die nach vorgegebenen Regeln ablaufen, die festlich sind, sich wiederholen und einen hohen Symbolgehalt haben. Man unterscheidet religiöse, soziale (incl. Politische), Alltagsrituale aber auch individuelle Rituale.

Man erwähnte den Philosophen Pfaller, der die Schuld der Vernachlässigung von Ritualen dem Aufklärungszwang der Gesellschaft gab. Wir bräuchten also eher rational vermittelte und wirksame Methoden, so meint die moderne Gesellschaft  dringender als symbolhafte Handlungen. Diese symbolhaften Handlungen bewegen wenig, außer dass sie Individuen zwingen, sich normkonformen Einflüssen und Suggestionen unterzuordnen - so der Verdacht aufklärerischer Bewegungen. So werde man manipuliert ohne sich denkend anstrengen zu müssen.

Ich habe aber nicht die Beobachtung gemacht, dass Rituale vergeblich sind und mit der Zeit ihre Bedeutung  verlieren. Denn wir haben ein archaisch begründetes Urbedürfnis, uns als Teil eines Ganzen zu begreifen und deshalb den tiefen Wunsch, soziale aber auch religiöse Rituale mit zu vollziehen. Jedes Aufgehen in einer Sozietät bedeutet mehr Sicherheit für den einzelnen. Es gibt 2 Hauptbereiche bei Gruppenritualen, den Bereich des Gemeinschaftsgefühles und den der Rivalität mit dem jeweils Anderen, dem Gegner, also auch Kampf gegenüber demjenigen, der nicht der Gruppe angehört, dem Kultur- und Nationsfremden. Exemplarisch dafür kann der Massensport: Fußball genannt werden, wo in speziellen Ritualen der Fans aggressive Kampfverhalten die Abgrenzung vom „Feind“ und die Identifikation mit dem Freund vollzogen wird. Nach E. Canetti gelang es der katholischen Kirche über die Jahrhunderte, Menschenmassen so zu vereinen, dass sie sich untereinander friedlich verhalten und im langsamen, behäbigen Schritt wie in einer Prozession, die Vereinigung zelebrieren, wobei sie nur denjenigen ausschließt, der nicht zur Kirche gehört oder den vorgegebenen Normen der Kirche nicht entspricht. (Zitat aus Masse und Macht) Weihrauch und Gesänge helfen bei solchen Ritualen, so ein Diskussionsteilnehmer, den Einzelnen im Gruppengeist aufgehen zu lassen. Extreme Rituale in Sekten wurden aber nicht besprochen, wo man ja diesem Gruppengeist nicht bzw. kaum entfliehen kann/darf.

Es gibt eine Unmenge von Ritualen des Alltags, in denen auch die Polarität zwischen Individualität und Gemeinschaftszugehörigkeit gespürt wird und von jedem Einzelnen auch ausgetragen werden muss. Diese Entindividualisierung hat man vor allem in Diktaturen besonders genutzt, wobei politisch gemeinte Rituale jegliche Form der persönlichen Verantwortung zerstörten, was ja beabsichtigt wurde.

Es wurde die Vermutung geäußert, weswegen gerade die Deutschen und die Österreicher eine stringente Gehorsamskultur entwickelten, die ja auch politisch leicht instrumentalisiert wurde. Wurde da von seiten der Monarchien im Verband mit der Kirche im Rahmen der Gemeinschaftsrituale Normorientierungen geprägt, und Haltungen gegenüber den Obrigkeiten aufbereitet, die jegliche Selbstverantwortung obsolet machte und sie gegenüber dem Volksganzen unterordnete. Beispiel: die heute für unverständlich gehaltene Bereitschaft von K.u.K. Österreich, heroisch und enthusiastisch in den Krieg zu ziehen. Ebenso in den 2. Weltkrieg.

 

Zu den kulturbedingten Alltagsritualen gehört die Gruppe der Brauchtümer. Deren Gemeinschaftsfunktion ist noch stärker regional bezogen, wobei es so wie bei allen Ritualen nicht nur moralisch akzeptierte Beispiele gibt. Auf der ganzen Welt wird bei manchen Traditionen dieses Zugehörigkeitsgefühl mit Handlungen erkauft, die gegen die moralischen Normen und Menschenrechte gerichtet sind. Da liegt es auch am Einzelnen, sich davon abzusetzen und diese zu verwerfen.

Ein besonderes Massenritual wurde erwähnt: das Oktoberfest, als das größte und am meisten verbreitete Fest der Welt-mit Ausnahme von Sportveranstaltungen internationaler Prägung.

Am Oktoberfest, dessen Teilnahme nicht jedermanns Sache ist, lassen sich rituelle Momente zeigen. An diesem größten Massenfest der Welt, das sinnlich, erotisch, ja fast archaisch ist, kann jeder seine persönliche Steinzeit durchleben, wobei auch ein Vergleich mit dionysischen Kulten der Antike angestellt wurde (es wurde aus einer Habilitationsschrift einer Soziologin zitiert). Das geplante Rituelle dieses Festes hat auch seinen „sakralen“ Raum, bei dessen Verlassen in die Münchner Strassenwelt die Menschen ihre Ritualorientierung spontan auf „Normalität des Alltags umstellen.

Als letztes Beispiel für nützliche Rituale wurde der Tanz besprochen. Wem dient der Tanz als Ritual? Er bewirkt die Aufhebung der Hemmungen im Kontakt mit dem anderen Geschlecht. Es werden Berührungsängste mit dem Fremden, also dem Unbekannten des anderen Geschlechtes, unterdrückt. Das Vorrücken in den intimen Raum des anderen wird ritualisiert. Der Tanz hat in sämtlichen Kulturen immer die Begegnung mit dem anderen Geschlecht zum Inhalt. Der Auklärungswahn des Westens sieht allerdings eher den Tanz als unnötig, obwohl er gerade auch der Therapie und Energieaufladung dient, die die Menschen in unserer Arbeitswelt nötig hätten.

Die rege Beteilgung aller am Diskurs liefert den Beweis, dass unser Thema gut gewählt war. Unser Diskursritual hielt sich auch an die strengen zeitlichen Vorgaben und daher bewegte er sich zwischen einem pünktlichen Anfang und einem pünktlichen Ende. Diskussionsrituale innerhalb dieser 2 spannenden Stunden sorgten für einen geordneten Gedankenaustausch.

Dieser Rückblick fasst die geäußerten Beiträge zusammen und ist nicht als Redeprotokoll zu verstehen. Er versteht sich daher nicht als vollständige Auflistung aller Ideen und ist sicher nur ein subjektiver Beitrag des Autors.

     Paul Peckary

 

 

Philosophencafé vom 14.12. 2013 zum Thema „Was ist Evolution?“

Das wieder gut besuchte Philosophencafé in Gmunden zeigte die Bandbreite möglicher Fragestellungen auf. Im Impulskurzreferat von Michaela wurde die menschliche Evolution mit ihren Entwicklungsstufen skizziert. Diese Theorie ist insofern keine „Glaubenssache“, als es empirische Hinweise gibt, die auf naturwissenschaftlicher Basis begründet sind. Ein Teilnehmer, der sich zur „Schöpfungsthese“, also zum Kreationismus bekannte, hat den Standpunkt vertreten, die Evolutionstheorie sei eine Glaubensangelegenheit und entspreche keiner echten Beweisführung. Dieser Standpunkt kann aber aus der Sicht der Naturwissenschaften verworfen werden, weil die Evolutionstheorie rein empirisch und nicht religiös betrieben wird. Deshalb, so meinten Diskussionsteilnehmer, wären im kreationistischen Ansatz viel mehr offene Fragen, vor allem wenn man als Naturwissenschafter herangehe. An die Existenz von Fossilien muss man nicht glauben. Sie gibt es, und die Linien, die man zwischen verschiedenen Entwicklungsstufen der Hominidenstufe zieht, sind wie eine rationale Indizienkette von jedermann, unabhängig von seinem Glauben, nachvollziehbar und plausibel. An die Schöpfungsgeschichte aber muss man einfach glauben. Dies ist eine sehr persönliche Entscheidung.

Man war sich einig, dass die kulturelle Evolution des Menschen nicht in ihrer weiteren Entwicklung vorausgesagt werden kann. Wir wissen weder, ob sich die Art Mensch lange oder nicht mehr lange weiterentwickeln kann. Haben die industriellen und technologischen  Entwicklungen eine Rückwirkung auf die biologische Konstitution des Menschen, auf unser Gehirn und auf unser Denken? Die hominide Gehirnvergrößerung und Differenzierung weist auf den Erwerb grundlegender Fähigkeiten des Menschen hin. Es wurde durch sie die Kommunikationsfähigkeit zwischen Individuen intensiviert, Planungsfähigkeit, das Spiegeln – schon bei Raben bekannt – mit Versprachlichung der inneren Welt nach außen kommunizierbar. Diese Verselbstständigung der inneren Welt, die Grundlage der kulturellen Entwicklung und der Entwicklung des Geistes, der Bewusstheit, sind alles weitere Triebkräfte eines sich mächtiger darstellenden Menschen und Weltbeherrschers. Wo sind die Grenzen? Wie weit darf er gehen?

Welche Rolle spielt der Egoismus in der Evolution? Altruistische Verhaltensweisen haben das Überleben garantiert. Nun sind aber Naturkatastrophen nicht damit zu meistern. Inwieweit braucht die Evolution ideale Rahmenbedingungen und keine störenden Umweltfaktoren? Zukunftsfragen stellen ein Vordringen in ein unsicheres Terrain dar. Ist man da mit der Ethik oder mit religiösem Glauben an den guten Ausgang vielleicht besser dran? Muss man vielleicht die Menschheit und ihr Schicksal mit einem lebenden Organismus vergleichen, der alle Phasen von der Geburt bis zum unausbleiblichen Tod durchläuft? Man weiß es nicht. Dieses Nicht-Wissen beunruhigt aber beruhigt auch wieder, weil wir nicht jeden Tag dieses Endziel vor Augen haben müssen. Wir dürfen gespannt in die Zukunft schauen und uns auf das nächste Philosophencafé freuen.

Mag. Paul Peckary

 

„Wert der Sexualität“ – Philosophencafé am 25. 1. 2014

Trotz heftigen Schneefalles kam eine größere Zahl von Teilnehmern zur Diskussion. Nach einer eher langen Impulsvorgabe stellte dann gleich ein junger Teilnehmer einen Zusammenhang zwischen der Sexualität und Schönheit her. Er stellte die Schönheit auch als Kennzeichen von Gesundheit dar, worauf ihm widersprochen wurde, weil die Gesundheit nicht über die ästhetische Wahrnehmung prognostiziert werden kann. Von einem anderen Teilnehmer wurde dann die Nähe von Schöngeist und Schönheit festgestellt, worauf die Teilnehmer diesen Begriff eher der Kultur als der sexuellen Attraktivität zuordneten.

Verlangen sexuelle Verhaltensweisen in einer komplexen Gesellschaft nach Regelungen? War dies alleiniger Zweck in verschiedenen Religionen? War auch der Einsatz der Regeln als Machtmittel opportun, gar gewünscht? Wozu brauchte man religiöse Gebote, die die Sexualität regeln? Zwar stellte man fest, dass sexuelles Verhalten, weil auch triebbedingt, Grenzen braucht, meinte aber auch, dass die Grenzziehung in Eigenverantwortung geschehen soll. Diese Eigenverantwortung muss umso deutlicher wahrgenommen werden, je liberaler Gesellschaften sind und je stärker und aufdringlicher sich die Sexualisierung in Mode, Werbung und Medien darstellt. Diese neue Liberalisierung gleicht ja auch einer Aufforderung zur Überschreitung von Grenzen. Sind die jungen Mädchen mit ihrer Bauchfreiheit und den gezeigten hübschen langen Beinen Opfer oder Täter ? Junge Mädchen sind aber trotzdem noch nicht auf der Entwicklungsstufe von reifen Männern, die die Mädchen zu Tätern machen wollen und sich selbst der Verantwortung über ihre Triebe entziehen wollen. Für die Selbstverantwortung im Umgang mit starken libidinösen Antrieben bedarf es einer Selbsterziehung, um nicht zu Grenzüberschreitungen zu gelangen.

Was geschieht nach der Triebbefriedigung? Birgt die sich nach Eintreten der Lustlosigkeit zeigende Langeweile auch ein Reservoir für Kreativität in sich? Man hat mehr Fragen aufgeworfen als hinreichend beantwortet. Zum philosophischen Eros und zur psychoanalytischen Libido kam man selten. Es schien dann die Tatsache der Sexualität als Tabu (weil ein Bereich der Intimität, „minderwertiger“ tierischer Anteil, Angst hervorrufender weil unbewusster Anteil der Sexualität) fast widersprüchlich zur Tatsache zu stehen, dass Sexualität für die Menschen doch einen sehr großen Wert hat.

Man meinte kritisch, dass die Ergebnisse der Verhaltensforschung direkt auf die Menschen übertragen wurden. Biologische Ergebnisse seien einfach, gut zu verstehen, für jedermann zugängig und verführen zu Vereinfachungen im menschlichen Bereich. Wir hatten schon Ähnliches in unserer Geschichte, wo zwischen menschlicher Kultur und biologischen Vorgängen keine Unterschiede gemacht werden. Biologismen können nicht so leicht auf die menschliche Sexualität und Erotik angewendet werden, weil die Phantasie, das komplexe seelische Gefüge und Kreativität nicht mehr nur mit Testosteron zu erklären sind und in ihrer Tiefgründigkeit nicht nur naturwissenschaftlich auflösbar sind. Viele Fragen blieben offen. Die Teilnehmer versicherten, einen Reichtum an Gedankenimpulsen bis zum nächsten Philosophencafé mitzunehmen.

Paul Peckary

 

 

Nicht handeln-Verdrängen-Aufschieben und Ignorieren – 1. März 2014

Solch ein Thema mit einer Fülle von  verschiedenen Bedeutungen mußte  diesmal eine philosophische Brainstorming-Veranstaltung werden. Wir verstehen uns  hauptsächlich darin, dass wir philosophische Themen zur Sprache bringen. Nicht immer gelingt ein Aufeinander-Eingehen der Teilnehmer, weil sich jeder in seinen Gedanken finden muß. Wir anerkennen dies als Gegebenheit und wollen nicht immer schulmeisterlich eingreifen-denn ein zu straff geführtes Gespräch hemmt die Denkfreiheit.

Wir denken, dass so manche Nachbereitung dieses Brainstromings dann gewisse philosophische Begriffe auf den Punkt bringen könnten. Dass man ein Thema „ völlig ausdiskutieren“ kann, scheint fast aussichtslos. In ähnlicher Weise verstehen wir unser Forum. Als  öffentlichen Beginn und als Chance des Weiterdenkens und nie als Abschluß von Gedanken. Das ist für uns schon seit Beginn des Philosophencafes 1999 ein reizvolles und spannendes Ziel. Die sich aus dem Cafe ergebenden weiterführenden Denkprozesse beschäftigen einige Teilnehmer immer wieder, wie wir aus Rückmeldungen hören.  Nun zum Thema:

    Handeln wird als bewußte , zielgerichtete Tätigkeit genannt.

   Nicht handeln ist durch das Fehlen dieser Merkmale gekennzeichnet.

In der Praxis aber haben wir es mit Handlungsketten und Formen unterschiedlicher Komplexität zu tun. Sie sind oft Mischformen und enthalten Elemente des bewußten Handelns sowie auch Elemente des unbewußten Verhaltens (Relflexe,  Instinkthandlungen, Automatismen… Verdrängungen……).

Beispiel: Ich fahre zu meinem Freund (bewußt) Ich biege nach rechts ab (meist bewußt) aber die Lenkhandlung selbst ist eher ein Automatismus, das Ausweichen ein Reflex (je nach Fahrroutine). Da mir die Fahrt zum guten Freund lieber ist als der notwendige Einkauf wähle ich zuerst den Besuch (kann einer bewußten Aufschiebung entsprechen). Beim unterhaltsamen Gespräch spreche ich über meine weiteren Pläne (bewußt) und denke nicht mehr an den Einkauf ( das entspricht einer Verdrängung, die zum Vergessen führt=unbewußt).

Solch eine Alltagsanalyse ergibt Folgendes: unsere Handlungen sind Mischformen aus bewußten und unbewußten Verhaltensformen. Es gibt nicht die reine Handlung oder Nicht-Handlung. 

Die Frage der Willensfreiheit spielt hier auch eine Rolle im Zusammenhang mit der Entscheidung zwischen zwei gleichwertigen Alternativen. Die Entscheidung ist ja eine Voraussetzung einer bewußten Handlung. Die Verweigerung der Entscheidung entspricht  auch einer Entscheidung. Also ist das Ausbleiben einer Handlung zwischen 2 Alternativen ebenso eine Handlung.

 

Man hatte in der Diskussion die Begriffsschärfung mit philosophischem Hintergrund von klar psychologischen Fragen (persönlichkeitsbedingte „Aufschieberitis“, Bewältigung der Handlungseinschränkungen auf Grund von Traumatisierungen) zu unterscheiden.

Ist( optimale) Handlungsfreiheit ein Menschenrecht ? Gemeint ist damit, ob denjenigen Menschen, die wegen Erkrankungen, Traumatisierungen oder anderen Beeinträchtigungen nicht ausreichend entschlußfähig sind, geholfen werden sollte und wie in solchen Fälle von Entscheidungsschwächen gesellschaftlich vorgegangen werden soll. Eine Frage von Therapieunterstützung durch den Staat an Opfern von Traumatisierungen stellt sich dabei vor allem auch bei Flüchtlingen und Asylanten)

Juridische Berücksichtigung von extremer Impulsivität  bei gewissen Taten (ebenso Handlung im Affekt) findet schon lange statt, weil sie ja ein gewisses Maß an Rationalität beim Handeln vermissen läßt und deshalb die volle Verantwortlichkeit beim Handelnden nicht gegeben ist.

Ebenso ist die Handlungsfähigkeit von Kindern und pubertierenden Jugendlichen erst in einem Vorstadium angelangt und wird ebenso als solches wahrgenommen und gesetzlich berücksichtigt.

Welchen Einfluß auf die Handlungen übt die immer größer werdende Informationsflut durch Medien und andere gesellschaftliche Einwirkungen aus ? Muß mehr verdrängt werden ? Mehr aufgeschoben ? Auf jeden Fall muß mehr ignoriert werden.

Viele dieser Fragen wurden angeschnitten und mögen durch selbständiges Weiterdenken vertieft und einer Teilklärung zugeführt werden.

Dieses sehr breite und aktuelle Thema weist auf die Verschränkung von Psychologie,Soziologie,Juristik und Philosophie hin. Wir  blicken gespannt dem nächsten Thema (Gewalt) entgegen.

Paul Peckary

 

 

Krieg und Frieden – 4. 10. 2014

 

Im Eingangsreferat beschrieb der Referent den persönliche Zugang und die Betroffenheit bezüglich des Themas  . Kriegserfahrungen und Traumatisierungen wurden durch die Eltern als schwierige Bürde weitergegeben , obwohl sie uns Kinder verschonen wollten.

In der Diskussion wurde dann festgestellt, dass in der Welt der Wirtschaft der „Ökonomische Totalitarismus“ , also ein Geschehen außerhalb der deklarierten Tötungskriege, genauso Kriegsgeschehen bedeutet. Daraus leitete eine Teilnehmerin als Hauptmotiv für Kriege den Willen zur Erhaltung der Macht ab. Im Wirtschaftsgeschehen hat man eher den Eindruck, dass es zu guten Ton gehört , zu gewinnen und den Konkurrenten auszulöschen. Wenn Wirtschaften nicht mehr dem Menschen dient sondern eher der Vernichtung, wenn Konkurrenz nicht mehr fair und durch Regeln gesteuert wird und Mächtige aus Gewinnsucht in diesem Treiben ein Hauptrolle spielen, herrscht mehr Krieg als Frieden.

 Große Übereinstimmung gab es,als man den Aspekt der Macht als Kriegsgrund anführte. Wie wird Macht verstärkt ?  Ideologien und religiöse Motive können den Machterhalt und Machtmißbrauch fördern .Diktatoren, also  Menschen, die sich unlegitimer Macht bedienen,sind kriegsanfälliger.

Helfeshelfer, also Medien ,verbreiten oft Unwahrheiten und spielen damit den Mächtigen in die Hände. Medien vereinfachen , regen nicht immer zum vertieften Denken an, übertreiben oft das Negative .Medien verstärken oft kriegstreibende Tendenzen , indem sie  zu oberflächlich berichten und verstärken Vorurteile durch einseitige, angsteinflößende Artikel ,die der Vorurteilsbildung Tür und Tor öffnen.  Gerade aber diese Negativbilder werden rascher in die Gehirne der Leser transportiert und werden leichter geglaubt .Eine Lüge, die von Präs. Bush verbreitet wurde( „Die Iraker  -Sadam Hussein- verbrennen Kinder“) förderte in den USA die Kriegsbereitschaft-nach Kriegsbeginn stellte sich dies als Falschmeldung heraus. Auch Demokratien schützen nicht vor Kriegen.

Auch Religionen leisteten häufig einer Kriegsentstehung Vorschub.Unsichere Menschen brauchen oft eine Stütze und bedienen sich leider falscher oder falsch verstandener Sätze aus den Heiligen Büchern fast sämtlicher Religionen.

Junge Cafe-Teilnehmer stellten auch fest, dass die Welt nicht nur böse sei, also nur von Kriegen dominiert-denn wenn man dieses einseitige Bild im Schulunterricht vermitteln sollte, fördere man den Lebenspessimismus. Auch Eltern können ihren Kindern pessimistische Bilder vermitteln und so die Glückschancen ihrer Kinder reduzieren.

Zusammenfassung: Es ging den Diskussionsteilnehmern nicht um das Phänomen des Krieges selbst, also die Frage: „was ist ein Krieg und was ist Frieden ?“  Es ging von Anfang an den Teilnehmern um die Frage ,wie es zu Kriegen kommen kann. Es ging um Ideologien,  Auslöser und um emotionale und kognitive Assoziationen(was fühle und denke ich, wenn ich vom Krieg irgendwo höre oder lese) Auch ging es um die Frage, inwieweit ich die Kriegstraumatisierungen der vorigen Generationen übernommen habe. Wie funktioniert eine Vererbung von Traumata ? Wie kann man sich dagegen wehren ?

Wer Krieg nicht selbst erlebt hat, also in wessen Gehirn sich  das Geschehen durch Lesen, Zuhören oder Betrachten eines virtuellen Kriegsfilmes abbildet, spricht und fühlt anders als ein wirklicher Soldat oder eine Frau eines Soldaten. Trotzdem und deshalb sollten im Frieden lebende Menschen über die Ursachen und Vorgänge nachdenken.

Wir-die , die wir in absolut friedlichen Zeiten leben,haben es in der Hand, wieder einen Krieg vorzubereiten oder aber auch, Friedensinitiativen zu starten. Wir können uns von den individuellen Gefühlen und von politischer Verantwortung  dabei leiten lassen. Wir dürfen und müssen uns in der Politik einbringen.

Das engagiert geführte Gespräch kann  uns zum tieferen Philosophieren und Reflektieren hinführen. Befreiung von Irrtümern, Gewinn der Denkfreiheit und das öffentliche Gespräch-das kann vom Schwarz-Weiß Denken und vom Denken nach vorgegebenen Normen wegführen.

Mag. Paul Peckary

 

 

31. 1. 2015 – Zufall und Freiheit

 

Dieser Beitrag ist als Wiedergabe des persönlichen Eindrucks des Autors über die heutige Diskussion zu verstehen.

 

A-Philosophische Einleitung:

Anfangs wurde die Frage gestellt, wie Zufall und Freiheit philosophisch aufeinander bezogen werden können.  Wenn man von Zufall spricht, meint man ja doch  ein Ereignis ohne begründbarer Kausalität .  Diese   Definition des Zufalls kann über diesen Begriff  der Kausalfreiheit zur Auseinandersetzung  mit der Willensfreiheit führen. Das könnte bedeuten, dass man den freien Willen als etwas, das frei von kausalen Determinanten möglich ist.  Würde , so kann man folgern, aber der freie Wille von Zufällen und nicht von Kausalursachen bestimmt werden, trifft man aber nicht sein Wesen. Denn ganz frei-sowohl von Ursachen als  auch von  persönlichen Gründen (Emotionen, Wünschen..)- kann der freie Wille nicht sein-sonst wäre er ganz dem Zufall ausgeliefert und wäre dann eben  wieder nicht frei.

Der Zufall spielt also im freien Willen eine gewisse Rolle, aber nicht die Hauptrolle. Je mehr verschiedene Möglichkeiten einem zufallen-wie eine Teilnehmerin sagte, desto freier scheint die Wahl zu sein. Wenn man beispielsweise als Mann im Zug eine Frau trifft, sich in sie verliebt und dann heiratet ist man doch freier als in Kulturen, wo der Partner vorgeschrieben wird. Zwänge und andere Determinanten schränken die Freiheit ein. Trotzdem ist sie aber auch in restriktiven Situationen noch immer möglich.

Wenn einem  zuviel  ähnliche Zufälle bzw. Wahlalternativen zur Verfügung stehen, kann man in Schwierigkeiten kommen. Wenn man gar keine hat (politische, wirtschaftliche.. Unfreiheit), ebenso.

Die Umstände (äußeren Zufälle) können die freie Entscheidung erleichtern , aber auch erschweren. Somit kommt es eher darauf an, ob man einen freien Willen hat und wie der beschaffen ist. Die freie Entscheidung kommt vom Ich.

Willensfreiheit bedeutet danach “das Vermögen, einen Zustand von selbst anzufangen“(B564,Kritik der reinen Vernunft)

 

 

B-Öffentliche Diskussion:

Sehr rasch wurde durch Teilnehmer verlangt, sich über den Begriff des Zufalls klar zu werden. Ebenso wurde nach einem Zusammenhang zwischen Zufall und Freiheit gefragt. Danach wurde die Frage nach dem Sinn der philosophischen Diskussion gestellt. Klarerweise wiesen die Moderatoren darauf hin, dass wir durch die Diskussion verschiedene Standpunkte und Meinungen kennenlernen und austauschen.  Wir streben größtmögliche Toleranz an. Aus einigen engagierten Wortmeldungen ging hervor, dass  ihre Aussagen und ihre persönlichen Lebenserfahrungen in Wechselwirkung stehen. Die Teilnehmer waren sich einig, dass der  Respekt vor  anderen Lebenserfahrungen die Voraussetzung für eine gute Diskussion bietet.

Natürlich wurde die Blasphemieerlaubnis  in Frankreich debattiert.  Auch die Frage: darf man über eine archaische Religion spotten ? Dabei wurde zwischen „kritisieren“ und „spotten bzw. verletzen“ kein Unterscheid gemacht. Wie weit darf man gemäß der Menschenrechte Blasphemie betreiben und wie weit über Dinge spotten, die jemanden aus religiösen oder anderen Gründen heilig sind. Ein Teilnehmer beschrieb die heutige Diskussion als „philosophisches Brainstorming“ sehr treffend.

Das nächste Thema lautet: „ Spiritualität“  Wir sind gespannt. Es ist tatsächlich das Hundertste Philosophencafe in Gmunden.

Paul Peckary

 

 

21. 3. 2015 – Grenzen der Selbsterkenntnis

 

Erfreulicherweise war an diesem 21.3. 2015 die Diskussionsbereitschaft über dieses „klassische“ Thema wieder sehr groß. Das Adagio war wieder bis auf den letzten Platz besetzt. Die Thematik wurde durch einen kurzen Impuls von Michaela Koch eingeleitet. Gleich zu Anfang wurde aber gefragt, ob es die Selbsterkenntnis überhaupt gebe. Da gäbe  es doch das starke „Ego“, das jeden „objektiven“ Zugang zum Selbst verhindere. Diese Problematik wurde durchbesprochen und man scheiterte teilweise auch an den mangelnden Eindeutigkeiten der Begriffe „Ego“ und „Selbst“.

Welcher Teil der Persönlichkeit, welches Ich  will  sich selbst überhaupt erkennen?  Es muss  eigentlich 2 Ichs geben:  das erkennende Ich und das Erkannte Ich? Wie möglich ist solch ein Vorgang?   Dann: welche Hindernisse gibt es, wenn das eine Ich zum anderen Ich vordringen will?  Man wolle nicht auf die eigenen Schwächen  aufmerksam gemacht werden. Da legt sich das möglicherweise erkannte beschämte Ich etwas quer und der Widerstand sorgt dafür,  dass die eigenen Schwächen für immer verschwiegen werden. Dagegen kämpft oft die Psychoanalyse, die diese eigenen Blößen aufdecken kann  und will, weil der Widerstand gegen die Wahrheitsaufdeckung viel seelische Energie kostet und dies schränkt die persönliche Freiheit ein. Dazu wurden 2 gegensätzliche Standpunkte vertreten: 1. die Entdeckung des eigenen „Bösen“ interessiere doch niemanden, da es eine Schwächung bedeutet, wenn man sich selbst Fehler zugesteht. Und wer sagt, dass das überhaupt Fehler sind? 2a) Diese Entdeckung kann nützlich sein, da man erfährt, wie man ist und zukünftig die schädlichen sozialen Folgen abfedern kann. Und es kann ja auch sein, dass diese „Fehler“ eine Lebensverbesserung verhindern. Das klingt nach Verbesserung des Menschen, nach Ethik und das wurde von einigen aus verschiedenen Gründen abgelehnt. 2b) Das andere Argument lautet, dass diese sogenannten Schwächen ebenso zum Ich gehören und dass man sie ebenso wie die Stärken  akzeptieren und kennenlernen sollte. In der Selbsterkenntnis sollte man sich als Ganzes annehmen können. Also, es sollte nichts verdrängt werden.

Die Fragen nach den Grenzen dieser Selbsterkenntnis wurden danach immer wieder hinterfragt.  Weitere Fragen kamen hinzu, wie nämlich das am Selbst Erkannte aufgefasst werden sollte, ob es bewertet, beurteilt oder einfach als Faktum hingenommen werden soll. Natürlich hat das mit der weitreichenden Frage der Ethik und der Frage der Beurteilung der ethischen Einstellungen zu tun.

Aus der nachfolgenden Beurteilung folgt wiederum die Frage, ob ich etwas an dem in mir Befindlichen, Charakterhaften auch verändern sollte - oder auch verändern kann - damit ich „besser“ im sozialen Sinne werden kann. Unabhängig davon, ob es ein bestimmtes Ziel im Handeln gibt (Teleologie) stellt sich die Frage, ob es richtig ist, wenn wir uns am Verhalten der anderen orientieren. Wenn wir unser Verhalten an der Zustimmung der Gesellschaft orientieren?

Dabei kam auch die Frage auf, was bedeutet das, wenn man „ganz bei sich“ ist. Bedeutet das, dass man dann umso offener für die sozialen Anliegen ist oder dass sie einem dann erst recht „wurscht“ sind. Ist es eine Gefahr, die Erkenntnisse ganz auf sich zu richten, oder gibt es da auch Grenzen?

Manche meinten, man solle und müsse immer die Anliegen der Gesellschaft beachten, denn kein starker Egoismus - der heute für manche sehr stark vorherrscht - führe einen zu einem wirklich glücklichen Leben, da man ja immer auch von den Rückmeldungen der Gesellschaft abhängig ist - man lebt nie in einem Raum, der nur von einem selbst erfüllt ist. Man ist - ob man das will oder nicht - ein soziales Wesen, das sich besser oder schlechter in die Gesellschaft einfügt. Die Studien über die blinden Flecke des Johari-Fensters ergaben, dass die Kommunikation verbessert werden kann, wenn man die Bereiche des eigenen Ich den anderen Menschen besser zugängig macht. Viel Energie wird auch dadurch frei, die man mit dem Verbergen von Ich-Inhalten ständig bindet. Ob man will oder nicht, es wird über die Selbsterkenntnis und Selbstkontrolle ein  bewusster und unbewusster Dialog mit den Mitmenschen geführt. Vielleicht könnte nach diesem spannenden Dialog im Adagio (vom Autor) noch hinzugefügt werden, dass diese Selbsterkenntnis eher einem Dialog entspricht, der in 2 Richtungen geht, in Richtung Ich und in Richtung Du und das erkennende Ich den Vermittler spielt.

Somit braucht man auch keinen absoluten Richter; wenn jeder Dialogpartner die maximale Freiheit und Selbstverantwortung teleologisch fordert, könne dies auch zu mehr Glück aller Beteiligten führen.

(Stichwort Autorität und Dialog: Es gibt eine Mannschaftssportart, die OHNE Schiedsrichter auskommt, bei der nach jedem Foul oder möglichen Regelverstoß beide Mannschaften über eine Entscheidung diskutieren. Erst wenn dann beide zu einem gemeinsamen Urteil kommen, wird weitergespielt. In dieser Sportart gibt es nationale und internationale Meisterschaften. Ich habe das persönlich während eines Aufenthaltes in Kolumbien von einem Spieler dieser Sportart gehört und betrachtete dann ein solches Vorgehen der Einigung durch einen Dialog in Youtube mit höchstem Interesse - wofür wäre das ein Modell?)

Also auch im Sinne der Glücksvermehrung freut sich der Autor dieser Zeilen auf das nächste Philosophencafe-Jahr, das im Herbst beginnen wird. Themen und Termine erfahren Sie auf unserer Homepage, sobald sie feststehen.

In diesem Sinne: Viel Glück für den Sommer!

Eure Glück-suchenden Philosophen / Paul Peckary